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© "Nik" Klaus Polak
seit 2/2003 als freier Journalist auf Weltreise
www.nikswieweg.com

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Kaiman - Dschungeltour in Costa Rica

© "Nik"Klaus Polak, Bonn, Germany

zu Costa Rica Teil 2: Cahuita und Puerto Viejo


Am Kaimantümpel 14

Unter den Tropen versteht man per Definition, auch wenn davon einige Wüstengebiete tangiert werden, den Bereich zwischen den Wendekreisen des Krebses und des Steinbocks, wo also die Sonne mindestens einmal im Jahr senkrecht steht. Der Begriff „tropischer Regenwald“ kennzeichnet ein Ökosystem der drei Typen einschließt: den Tiefland-Regenwald bis etwa 800 m Höhe, den Berg-Regenwald bis etwa 1500 m Höhe, der in den Nebelwald übergeht.
Wer erstmals diese Begriffe hört, dem fallen Schwüle, Hitze, Affen, wilde Tiere und steinzeitliche Eingeborene sowie Tarzan & Jane ein. Wilde Tiere bekommt man jedoch leider nie zu sehen. Sie lassen höchstens einmal ein Rascheln auf der Flucht zu hören. "Unfälle" mit ihnen sind eher "Irrtümer" der Tiere, die glauben keinen anderen Ausweg mehr zu wissen - man gehört einfach nicht in ihr Beuteschema. Nicht unbedingt ein Trost für die Betroffenen, aber eine gewisse Beruhigung für den Sonntagsspaziergänger aus den aufgeräumten nordeuropäischen Forsten. Viel größer ist die Gefahr erschlagen zu werden: durch ohne Vorwarnung unter der Last von Lianen, Farnen und Orchideen umstürzende Bäume, kilogrammschwere Früchte, abbrechende Äste oder Farnbüschel, die als Epiphyten auf Ästen in den Baumkronen ihr Dasein fristen. Relativierend muss man sagen, dass es erheblich gefährlicher ist, während der Rushhour auf europäischen Autobahnen unterwegs zu sein, ganz zu schweigen von anderen Ballungszentren der Erde.
Der Begriff "Dschungel", der oft als Synonym für „Regenwald“ gebraucht wird, stammt ursprünglich aus dem indischen Sanskrit: "Jangula" bezeichnet ein undurchdringliches Dickicht. Undurchdringliche Vegetation findet man hingegen viel eher in den ursprünglichen (!) Mischwäldern Mitteleuropas mit ihrer ausgeprägten Strauchschicht. Nicht dass der Regenwald gerade ein erstklassiges Terrain für eine Radtour wäre, aber man kommt doch recht gut zu Fuß voran, ohne die ganze Zeit mit einer scharfen Machete herumfuchteln zu müssen. Diese benötigt man eher am Waldrand bei Lichtungen, Tümpeln und Flussläufen.
Überfliegt man einen Tiefland-Regenwald, so scheint man zunächst einen "Dschungel" vor sich zu haben. (Anschaulich in dem erzählerischen Expeditionsbericht "Mit dem Luftschiff über den Wipfeln des Regenwaldes" geschildert.) Aus der Luft oder an seinen Rändern - nicht aber im Wald selber - erkennt man, dass der Dschungel eine Aufteilung in verschiedene Stockwerke ausprägt. Die Kronenregion ragt bis zu 40 m Höhe auf. Sie wird vereinzelt von Baumriesen (Überständer) durchbrochen, die bis in 70 m Höhe reichen können. Eine zweite Baumschicht bildet ihre Kronen in 30 m, die dritte und niedrigste Schicht in 10 m Höhe. Eine Strauchschicht fehlt oft völlig, die Moos- und Krautschicht ist in der Regel spärlich, dafür finden sich viele Moderpilze. Erklärbar ist dies durch die geringe Sonneneinstrahlung, die den Boden erreicht. In diesen unteren Bereichen kann sich nur auf Lichtungen, steilen Berghängen oder an Flussläufen eine üppige Vegetation entwickeln.

80% der Biomasse, wird in der Kronenregion produziert, daher halten sich hier etwa ¾ der größeren Tiere, nur wenige auf dem Erdboden auf. Kennzeichnend für den Regenwald ist seine große Tier- und Pflanzenvielfalt. Vermutlich etwa 30 Millionen verschiedene Arten leben auf der Erde (nach Terry Edwin, Smithsonian Institution, 1982; 2004 noch immer nicht exakt verifiziert und eher die Untergrenze). Die überwiegende Zahl im Regenwald, darunter verschiedene Säuger, Reptilien-, Amphibien-, Vogelarten und vor allem Insekten (insbesondere im Kronendach) weisen im tropischen Regenwald eine große Vielfalt (Diversität) an tierischem und auch pflanzlichem Leben auf; wobei eine Baumart oft nur mit 1-5 Exemplaren pro ha vorkommt. Die Blattscheiderameisen sind die seltenen Wanderer zwischen diesen beiden Welten.

Der Regenwald ist eigentlich ein Paradies, das auf einer Wüste wächst. Alle verfügbaren Nährstoffe zirkulieren in einem kurzgeschlossenen Kreislauf zwischen Baumwurzeln und Kronen, wodurch die dünne Humusschicht (selten dicker als 30 cm) fast keine Nährstoffe mehr enthält. Diese sind vollständig in den Pflanzen eingebaut. Zu Boden fallende Pflanzenteile werden zersetzt durch Insekten und Pilze - von denen einige in der Nacht geheimnisvoll fluoreszieren können - sofort wieder in den Kreislauf zurückgeführt.
Seinen Namen erhielt er, weil es sich um einen regenproduzierenden Wald handelt. Das heißt, der Regenwald wächst hier nicht, weil es viel regnet, sondern es regnet, weil der Wald Unmengen von Wasser verdunstet. Dieses wird fast täglich recycelt, meist in kurzen, aber heftigen Schauern. Überall wo der Wald abgeholzt wird, erstrecken sich trockene, karge Landschaften, die das Klima radikal verändern.
In den Schulen vor Ort und anderen Initiativen wird zaghaft versucht, den Jugendlichen erste Schritte in Richtung ökologisches Verhalten nahe zu bringen, um das Fortschreiten der Entwaldung zu verhindern.

Morgens um 6 Uhr haben wir uns zu fünft verabredet. Tom, ein Expat aus Stuttgart wartet schon mit seinem geländegängigen Jeep und los geht es in eine 14 km lange Sackgasse in südlicher Richtung nach Manzanillo, von da an herrscht nur noch der Wald des Naturreservats Gandoca bis zur panamesischen Grenze und darüber hinaus.
Zunächst wird uns erklärt, dass er die Tiere nicht engagiert hat, weswegen man sie nicht à la carte erwarten könne. Aber er kenne seine Routen genau und würde sein Bestes geben. Zumindest können ihm die Pflanzen nicht entkommen, sagt er, es sei denn, man trifft auf die Wanderstelzenpalme, aber das wolle er uns später erklären. Diese ehrliche Offenheit macht mir Tom sofort sympathisch.
Nach wenigen Schritten geraten wir an ein Flüsschen, das durch die Verrottung immenser Mengen organischen Materials und der damit verbundenen Freisetzung von Humussäuren intensiv rostbraun gefärbt ist. Hier können wir unsere Gummistiefel testen, auf die Tom sicherheitshalber wegen Schlangenbisse (60% sind gegen die unteren Teile der Beine gerichtet) bestanden hat und zur Verfügung stellte. Uns erwarten bereits ein Eisvogel 31, Schlangenhalsvogel und mehrere Rabengeier 13 - hoffentlich kein böses Omen - als wir eine Furt queren, wobei der erste Stiefel volläuft. Das kann ja noch heiter werden. Auf der anderen Seite begrüßt uns ein gut 20 cm langer grüner Helmbasilisk 21. Eine andere Echse ist mit langen Beinen und Häuten zwischen den Zehen ausgestattet und kann beträchtliche Strecken auf (sic!) der Wasseroberfläche mit einer Geschwindigkeit von bis zu 12 km / h zurücklegen, weswegen sie im Englischen auch als Jesus Christ Lizard 24 bezeichnet wird.
Gemütlich geht es weiter entlang einer breiten Schneise, die einmal die Vorstufe zu einer Verbindungsstraße nach Sixaola an der panamesischen Grenze werden sollte, dann aber aufgegeben wurde. Ein seltener Glücksfall in Costa Rica für die Natur. Kolibris umschwirren die Blätter einer Heliconie, die deutlich die nahe Verwandtschaft zur Banane verrät, und wir erfahren, dass die kleinen Hubschrauber nicht nur auf den Nektar aus sind, sondern auch mit kleinen Insekten ihren Speiseplan aufbessern. Die wunderschönen Heliconien zählten früher zu den Bananengewächsen, werden aber heute in einer eigenen Pflanzenfamilie mit nur einer Gattung und fast 150 Arten geführt. Bromelien sind die andere große Familie innerhalb Mittelamerikas, deren berühmtestes Mitglied die Ananas ist. Tom deutet auf einen mächtigen mit unzähligen Stacheln bewehrten Stamm des Sanduhr-Baums (Hura crepitans, Sandbox tree), dessen Früchte die Kinder früher vom Samen befreiten und das Behältnis mit Sand füllten, um in der Schule die Tinte auf dem Papier zu trocknen. Eine Papageienart war leider zu "dumm", sich gerade auf diesen Baum zu spezialisieren. Mit dem Holzeinschlag ist nun sowohl der Baum rar geworden, als auch der Papagei ausgestorben. Leider zeigt sich Monate später, dass die Sanduhrbaumfrüchte nicht für europäische Verhältnisse geschaffen sind. Als Souvenir mitgenommen, explodierte die ausgetrocknete Frucht über Nacht in unserem trockenen europäischen Klima in kleinste Einzelteile.
Der Kanonenbaum (Cecropia, span. guarumo) ist hohl und strebt besonders schnell dem Licht entgegen. Er ist eine bemerkenswerte Symbiose mit der Aztekenameise eingegangen, die von ihm eiweiß- und zuckerhaltige Nahrung aus speziellen Drüsen erhält. Als Gegenleistung kappen die emsigen Helfer Kletterpflanzen und entfernen Samen von Epiphyten. Manchmal frage ich mich, wie in so kleine Hirne derartige Verhaltensweisen abgelegt werden können. Aber vermutlich wird ein Großteil über die Gene gesteuert - im Sinne einer generationsüberdauernden Intelligenz oder eines evolutionären Gedächtnisses.
Der erste Gang in den Sekundärwald führt zunächst durch eine vor Jahrzehnten aufgelassene Kakaoplantage 132, die vollkommen überwuchert ist. Vor uns steht eine Stelzenpalme, wohl eine der wenigen Pflanzen, die "laufen" kann. Na ja, laufen ist vielleicht etwas übertrieben, aber mit ihren "laufend" nachwachsenden Stelzenwurzeln, vermag sie bis zu 3 m im Jahr den Standort seitlich zu verlagern, um ein Optimum an Licht und Nährstoffen zu erhalten.


Würgefeige
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Die ersten Brettwurzelbäume tauchen auf, mächtige Lianen, die man eher für Bäume halten könnte, winden sich bis jenseits der Sichtgrenze, unzählige Heliconien müssen links und rechts des Pfades mit der Machete gestutzt werden um den Weg freizuhalten, ganze Netzsoziteten von Goldspinnen sind zu umgehen, unzählige Insekten - auch stechende - umschwirren uns, Zeit für das Repellent. Es herrscht ein fahles Licht, in der Ferne sind Gelbschnabel- und Regenbogentukane zu hören und die ersten Brüllaffen singen sich warm. Nur 2 cm große Pfeilgiftfrösche in allen denkbaren Farben springen am Rande des Weges und bringen sich vor uns in Sicherheit, zwei nehmen keine Notiz von uns und kabbeln sich um das Revier - endlich Gelegenheit ein Foto zu schießen. Tom entdeckt einen Skorpion unter einer lockeren Borke und präsentiert ihn für das nächste. Weiter geht es unter und über querliegende, vermoderte Baumstämme, die von unserem Führer umsichtig gemustert werden, bevor einer von uns passieren darf. Ein unscheinbares, kleines braunes Fröschlein hat es ihm auf einmal besonders angetan. In den geschlossenen Händen transportiert er ihn zu uns und fordert auf genau hinzusehen, wenn er die Hände öffnet. Uns bleiben nur wenige Sekunden, dann ist der "Raketenfrosch" mit einem Riesensatz entschwunden.
Als wir uns einem versteckten Tümpel nähern, empfiehlt uns Tom auf, besonders leise zu sein und möglichst keine Bäume mehr anzufassen: im See sind Kaimane 14 zu erwarten, in, auf, an den Bäumen oder sonst wo Schlangen. Die Kaimanmutter mit zwei Sprösslingen ist da, die Schlangen nicht; das ist auch zunächst gut so.
Auf dem Weg zum Frühstück knackt es plötzlich und kurz darauf kommt mit einem lauten Krachen ein schwerer Ast aus der Kronenregion auf dem nur wenige Meter parallel verlaufenden Pfad zu liegen. Tom hat ihn heute nur nicht gewählt, weil er uns die vielen Spinnen ersparen und ihnen die Netze erhalten wollte. Während wir auf einer Lichtung unter einem Indiohaus - wie hier üblich auf Stelzen - unsere Stullen und hartgekochte Eier vertilgen, die Tom uns mitgeschleppt hat, ist er noch für uns unterwegs und sucht die kleine Privatplantage ab. In der Stammgabelung eines Mangobaumes wird er schließlich fündig und kann uns eine etwa 70 cm lange, hochgiftige Greifschwanz-Lanzenotter Bothriechis schlegelii 28 präsentieren. Hält man sie an ihrem Greifschwanz, kann sie sich blitzschnell aufrichten und zubeißen. Die Palmviper zeichnet jährlich für mehrere Todesfälle in Costa Rica verantwortlich. Obwohl mit max. 80 cm relativ klein und wenig angriffslustig, verfügt sie doch über ein sehr potentes Gift. Erkennbar ist sie an ihren hochstehenden, stachelartigen Augenlidschuppen, die wie kleine "Hörnchen" aussehen, weswegen sie auch im englischen Sprachraum Wimpernotter genannt wird

Während meines dreimonatigen Aufenthaltes, teilweise im stark bewaldeten und unzugänglichen Grenzgebiet Costa Rica / Panama habe ich nur selten eine Schlange gesehen. Allerdings sei an dieser Stelle eine adäquate Umsicht empfohlen! Unter den Expats hat es alleine im Jahr 2003 im südöstlichen Costa Rica an der Grenze zu Panama zwei Todesopfer gegeben, zusätzlich starb ein Tourist. Hauptverantwortlich ist meist die (span.) Terciopelo 26 und die Buschmeister 27, beides braun-schwarz gezeichnete, an Boas erinnernde Giftschlangen. Terciopelo, auch bekannt als (span.) Barba Amarilla oder (franz.) Fer-de-lance, lebt nicht nur in Wäldern, sondern auch im Sekundärgestrüpp menschlicher Siedlungen, bevorzugt in Wassernähe. Sie ist die häufigste und gefährlichste Schlange Mittelamerikas. Buschmeister sind mit bis zu 3.60 m die größten Giftschlangen der Neuen Welt. Sie leben als dämmerungs- und nachaktive Ansitzjäger in ursprünglichen Regenwaldgebieten. Der spanische Name Matabuey bedeutet Ochsentöter. Eine weitere Gefährdung ist durch Korallenschlangen gegeben, die eine typische schwarz-rot-gelbliche Ringelung aufweisen.
Siehe auch Vorsichtsmaßnahmen gegenüber Schlangen
und Literaturhinweis zu Gunther Köhler's Schlangenbuch, sowie Drs. Trutnau - Schlangenexperten, selber Rucksackreisende und erfahrene Drs. med..

Nach erholsamer Rast geht es weiter. Baumtermiten (span. Termina de bosque seco) bilden eindrucksvolle Nester. Man könnte sie glatt mit den Krebswucherungen an Baumstämmen bei uns zu Hause verwechseln. Ihre Gänge an den Bäumen sehen aus wie das vertrocknete Wurzelsystem von Schlingpflanzen, bis ich einmal zufällig einen Gang öffne und zu meinem Erstaunen die weißen Termiten sehe, die übrigens nicht mit den Ameisen verwandt sind. Blattschneiderameisen 40 (Familie Atta, zu den Hautflüglern [Hymenoptera] gerechnet), kreuzen unseren Weg - oder wir den ihren - und fasziniert schauen wir zu, wie sie regelrechte, bis zu 20 cm breite, von jedem Abfall gereinigte "Autobahnen" durch den Dschungel anlegen, sorgfältig abgeschnittene Blattstückchen zu ihrer riesigen Kolonie schleppen, um ihre Pilzgärten zu versorgen, von deren Fruchtkörpern sie eigentlich leben. Es ist wie in jeder Gesellschaft, alle sind fleißig, aber einige scheinen Arbeitsverweigerer zu sein. Wir gehen rasch weiter, denn bei den riesigen Soldaten hat es sich herumgesprochen, dass sich unheimliche fiese Organismen am Nest aufhalten, und die ersten UFOs führen bereits einen Veitstanz auf. Einige Nummern größer und nun wirklich bedrohlich sind die über 2 cm großen Riesenameisen 41, die uns Tom im Anschluss zeigt. Sie stürzen sich auf seine Machete und orientieren sich dabei am Schweißgeruch des Holzgriffes, den sie heftigst attackieren. Das Nonplusultra aber stellen Treiberameisen dar. Obwohl die Individuen relativ klein sind, stellen sie als angreifendes Heer doch eine unbesiegbare Macht dar. Es gibt nachgewiesene Berichte, wonach angepflockte Pferde, ja sogar Kleinkinder keine Überlebenschance hatten. Ungefährlich, da der Angriff nur als letzter Ausweg erfolgt (z.B. wenn der Fuß in nicht überprüfte Schuhe schlüpft) sind oft unter Borkenresten verborgene Skorpione 42.
Kurz darauf kracht nur dreißig Meter hinter uns ein hoher Baum in sich zusammen. Tom schüttelt den Kopf, das hat er an einem Tag auch noch nicht erlebt, und ich meine einen forschend misstrauischen Ausdruck in seinen Augen zu bemerken, als er unauffällig unsere kleine Gruppe nach dem vermeintlichen Unglücksraben durchmustert.
Nach dem Höhepunkt unserer Matsch- and Morastparty, drei steckengebliebenen Stiefeln - aha, darum Taucherbrille und Schnorchel - und etlichen kostenlosen Fangopackungen, fällt der Übergang vom dichten Sekundärwald in ein Gebiet auf, das dem ursprünglichen Primärwald sehr nahe kommt. Unerwartet ist es relativ licht, da fast die gesamte Strauchschicht fehlt. Hier spielt sich das Leben überwiegend im Kronendach ab, trotz strahlend blauen Himmels erreicht nur ein Bruchteil des Lichtes den Boden und die Automatik des Fotoapparats löst immer wieder den Blitz aus. Tom macht uns auf nahe Rufe des Gelbschnabel-Tukans 32 aufmerksam und bedeutet leise zu sein und seiner Richtung zu folgen. Schade, das war wohl nix, unser Kaiman-Dundee hat sich geirrt, die Tukane rufen nun aus einer ganz anderen Richtung. Aber dann sehen wir sie in den Kronen direkt über uns: beeindruckende Vögel mit ihrem großen, leuchtend gelben Schnabel und bunten Gefieder.
Mea culpa und Dank an unseren Führer Tom.
Nur wenig später werden wir aufmerksam von Siesta haltenden Mantelbrüllaffen 33 beobachtet und bald mit einem Geschrei begleitet, das man Tieren dieser Größe gar nicht zugetraut hätte. In der Ferne hört Tom Regenbogen -Tukane 33, aber sie sind so weit weg, dass wir sie heute nicht sehen werden.
Uns fallen im Geäst hoher Bäumen Gebilde auf, die ich von den Webervögeln aus Südostasien her kenne, wenn auch nicht kugelig, sondern keulenförmig und bis 1.5 m lang. Es handelt sich um Behausungen des Montezuma-Stirnvogels 20, mit orangefarbenem Schnabel und leuchtend gelben Schwanzfedern sehr leicht zu identifizieren. Er fällt zudem durch einen besonderen, glucksenden Ruf auf, der sich anhört, als treffe in einer Höhle eine zunehmend rasche Folge von Tropfen auf eine Wasseroberfläche. Sehr gerne verspeisen sie Orangen, in deren Schale sie ein Loch stechen. Von den Plantagenbesitzern sind sie daher nicht gerne gesehen.


Foto: © Martina aus Bayern
Es geht bergauf und bergab -

eine meiner meist gehassten Lieblingsbeschäftigungen, vor allem wenn dabei pro Stunde eine Luftlinie von nur einem Kilometer bewältigt wird.
In meinen Ohren beginnt es zu rauschen, das muss mein Tinnitus sein, Fata Morganen stellen sich anscheinend auch noch ein, denn auf einmal stehe ich an einem wunderschönen, einsamen Sandstrand, vor mir das rauschende Meer. Ich kann nicht anders und lasse mich mit voller Montur fallen - aber der Sandstrand ist wirklich echt, das Meer auch und 70 Liter Seewasser müssen sich in Sekundenbruchteilen einen anderen Platz suchen. Die anderen schauen mich böse an, denn nun ist um mich herum alles matschigbraun. Naserümpfend schlägt man einen großen Bogen, entledigt sich der Gummistiefel und der Rest der Gruppe lässt sich ebenfalls in das kühlende Nass fallen. Jetzt ist es überall matschigbraun - kommt da etwa Schadenfreude bei mir auf?
Nachdem der Dreck verdünnt ist, lässt sich herrlich baden und Kokosnusspalmen versorgen uns kostenlos. So eine Kokosnuss und der Umgang mit der Machete verlangt einem gehörig Respekt ab, denkt man doch unwillkürlich bei jeder Ausholbewegung an seinen kostbaren Mittelfinger.
Auch reines Süßwasser gibt es genug. Der Baum der Reisenden 135 (Fam. Musaceae) stammt eigentlich von Madagaskar. Über seine Namensentstehung gibt es eine nette, aber nur wenig zutreffende Variante: die riesigen fächerförmig angeordneten Blätter bewegen sich im Wind wie eine winkende Hand, den Reisenden aus großer Entfernung zu begrüßen oder zu verabschieden. In Wirklichkeit erhielt die bananenähnliche Staude und eng zu der Ingwerfamilie stehende - auch wenn sie wie eine Palme aussieht - ihren Namen durch die natürlichen 1½ l fassenden Wasserspeicher am Grunde ihrer Blattachseln, die Dürstende versorgen können. Das Wasser ist allerdings meist verunreinigt und nur für den absoluten Notfall geeignet.
Frisch erholt lässt sich nach dieser Pause die restliche Wegstunde abspulen, immer entlang der Küste und schließlich ist kurz vor Manzanillo ein Traumaussichtspunkt erreicht, von dem sich ein herrlicher Ausblick auf einen ebensolchen Strand erschließt. Über uns kreisen Prachtfregattvögel 35 und Braune Pelikane 11, Weißschulterkapuzineräffchen 25 toben über uns in den Wipfeln und lassen unabsichtlich oder doch nicht (?) Laub, Ästchen und Früchte auf uns hinunterfallen.

Foto: © Nadine Martin, Bonn Fotos: © A. Weishaar, Cabinas Monte Sol / Puerto Viejo / Costa Rica

Zum Abschluss der Tour verabschiedet uns ein wunderschöner, blauer Morpho peleides limpida mit schwarzen Flügelrändern (64 bis 78 mm). Er verfügt nicht über gefärbte Schuppen, sondern mikroskopische Rillen, die so fein sind, dass sie nur das blaue Licht reflektieren. Somit kann die Farbe auch nicht "abgerieben" werden, wie bei anderen Schmetterlingen. Kaputt sind wir und lassen uns in freudiger Erwartung der Dusche, des Abendessens und eines kalten Imperials nach fast zehnstündiger Tour dankbar in die Sitze des Jeeps fallen.

Am nächsten Morgen steht Tom vor unserer Zimmertür. Ein einheimischer Führer hat sich überraschend bei ihm gemeldet, Tom will eine neue Tour planen, hat noch keine Ahnung, wie es dort aussieht, zwei Plätze im Jeep sind frei: ob wir mitkommen wollen, in 15 min ginge es los. Ich gucke ihn aus müden Augen verdutzt an , schaue in die von Nadine und sehe trotz des schläfrigen Blicks freudige Zustimmung. Nach 14½ Minuten, einem Espresso im wahrsten Sinne des Wortes nehmen wir unsere frisch gewaschenen Stiefel vom Vortag in Empfang und los geht es Richtung Landesinnere, zu den Ausläufern der mittelamerikanischen Kordilleren. Zunächst sieht es recht traurig aus. Die Besitzer haben das Tal bis auf die Anhöhen kahlgeschlagen, in der Eile nicht einmal das Edelholz genutzt, Rinder ausgesetzt, um dann zu erkennen, dass das harte Langgras nicht ausreicht die geplante Herde und den Eigentümer zu ernähren. Nun versucht man es auf dem kargen Boden mit Bananenplantagen, aber der Wald ist futsch.
Ein engagiertes Pärchen hat es geschafft, 10 Hektar fast noch unberührten Primärwaldes aufzukaufen und belässt es nun in diesem Zustand. Refinanziert wird die Investition durch Führung von Touristen, denen zusätzlich ein Skywalk (eine Art individuelle "Seilbahn") über acht Plattformen angeboten wird. Das ist zur Zeit Hipp und findet entsprechende Nachfrage.
Tom plant dazu parallel eine Tour, die mehr als nur Gaudi an einem Drahtseil bietet. Doch dazu muss zunächst einmal ein entsprechender Weg gefunden werden. Und so laufen wir zunächst Richtung höchster Plattform ... und auf einmal ist der kleine Hund des einheimischen Führers verschwunden. Ziemlich ratlos gucken wir uns um, bis wir erfahren, dass in dem daniederliegenden, großen hohlen Baumstamm neben dem Weg eine 2½ Meter lange Boa constrictor 18 zu Hause ist. Das war also ihr Frühstück. Francisco lacht über unsere Vermutung und deutet den Pfad hinab, wo der Mischling vergeblich, aber beharrlich - sowie ohne verräterische Lautgebung des Unvermögens - versucht eine Stufe zu erklimmen, die doppelt so hoch ist wie er selbst. Wir klemmen ihn uns unter den Arm und als wir uns umdrehen, sind nun Tom und Francisco verschwunden. Mit wenigen Schritten haben sie sich im wahrsten Sinne des Wortes ins Gebüsch geschlagen und sind nach nur zehn Metern vollkommen unsichtbar. Selbst ihre Stimmen klingen sehr gedämpft, kein Wunder, dass so manch Verirrter tagelang nur wenig entfernt großer Ansiedlungen durch den Dschungel irrte.
DAS sieht heute aber ganz anders aus als gestern! Hier ging wohl schon länger keiner mehr entlang und ich frage mich, woran man wohl erkennen kann, was Pfad und was undurchdringliches Gestrüpp ist. Zwei erfahrene Führer mit Macheten sind uns durchaus willkommen. Nach einer halben Stunde haben sie sich 300 Meter vorwärts gearbeitet und stehen in einem schmalen, steinigen Flussbett, das an den Ufern dicht mit Pflanzen überwachsen ist. Um uns herum flattern die allgegenwärtigen Heliconius erato petivernana (bis 37 mm), erkennbar an ihrem leuchtend roten Flügelband auf schwarzem Grund, unterschiedliche Schwalbenschwänze und leuchtend gelbe Dyras julia (bis 45 mm). Sie alle sind auf der Suche nach Mineralsalzen auf den Flussbänken. Links und rechts geht es fast senkrecht hinauf, hier ist kein Vorwärtskommen möglich. Flussaufwärts sperrt ein Wasserfall den Weg, also zurück. DENKSTE. Flussabwärts ist noch eine Möglichkeit und unsere beiden Führer sind schon längst unterwegs. Der Hund ist wohl ebenfalls das erste Mal hier, denn schwimmen kann er noch nicht und fiept am Flussufer. Als wir ihn uns packen wollen winkt Francisco ab, deutet uns an weiter zu gehen, ruft den überforderten Nestling und schaut amüsiert zu, wie er zunächst am Ufer unschlüssig auf- und ab läuft, skeptisch das unbekannte Nass betrachtet und sich schließlich todesmutig in die Strömung stürzt. Innerhalb von fünf Sekunden lernt er schwimmen, nur den Trick mit den Strömung hat er noch nicht ganz raus und so fischt der Besitzer ihn schließlich auf. Patschnass und nur noch halb so groß erscheint er uns, dafür ist offensichtlich sein Selbstbewusstsein verdoppelt worden, denn kaum wird er auf den Boden gesetzt, übernimmt er schon die Führung talabwärts.
Am Uferrand liegt eine seltsame Kapsel. Tom hebt sie auf und zeigt sie uns. Kreisrund, etwa 8 cm im Durchmesser, knapp 2 cm dick, hohl und mit kurzen, kräftigen Stacheln versehen: ein Affenkamm! Wenn unsere Verwandten zu sehr von Insekten geplagt werden, kämmen sie sich damit die Quälgeister aus ihrem dichten Fell. Das muss auf meinen Schreibtisch daheim, kann ich vielleicht auch mal gebrauchen, wer weiß.
"Komm mit mir den Fluss hinunter ..." geistert es mir durch die Ohren, als wir von Stein zu Stein hüpfen, Lianen unterqueren, uns am Uferrand entlang quetschen und schließlich auf einer kleinen Sandbank in der Flussmitte Rast einlegen. Ein langer Baum hat sich quer über das Flussbett gelegt und bietet eine ideale, wippende Sitzgelegenheit. Um uns herum erheben sich mächtige Bäume, in der Ferne singen Regenbogen-Tukane.
Dies ist eine der seltenen Gelegenheiten, mal den Dschungel zu betrachten. Nicht, dass wir nicht in ihm schon stundenlang gelaufen wären, aber ist man in ihm, so sieht man vor lauter Bäumen den Dschungel nicht. (Uff, was für ein seltsamer Satz.) Nur an temporären Lichtungen, die ein gestürzter Baumriese geschaffen hat, an den Waldrändern und eben an Flussläufen kann man dieses Bild genießen. So lassen wir die Atmosphäre auf uns einwirken und es scheint, als würde das Zirpen und Grillen von Tausenden von Grillen und Zirpen plötzlich anschwellen. Und - kaum glaublich - sie agieren im Takt und ich kann es mir nicht verkneifen mit ihnen ein leises "Hipp-hipp" zu rufen, das sie mit einem lauteren "Hurra" ausklingen lassen. Alle lachen sich dabei kaputt, stimmen ein und unser Maskottchen fiept schließlich mit.
Nach erfolgreichem Dirigieren des Zikadenkonzertes geht es weiter.


Suchbild: Dendrobates auratus, wo bist du?

An einem Baumstumpf finde ich einen grünen, mit schwarzen Flecken versehenen, ca. 4 cm großen Frosch. Mit Nachnamen heißt er Dendrobates, sein Vorname ist auratus (span. Ranita venenosa verdinegra, Black and Green Dart Frog). Berühren, so erfahre ich, sollte man ihn allerdings nicht. Das Neurotoxin Pumiluxin ruft ein unangenehmes Kribbeln in der Hautregion hervor, bei kleinsten Verletzungen kann es ernsthaft werden. Ein Foto will und will nicht gelingen, er hält nicht still! Aber der einheimische Führer kennt einen Trick. Er nimmt den Frosch in seine geschlossenen Hände und schüttelt ihn, dass ihm vermutlich Hören und Sehen vergeht, was wohl genau der Zweck der Demonstration ist. Vollkommen orientierungslos und vermutlich mit einem heftigen Karusselleffekt hockt er auf dem Boden. Nach einer knappen halben Minute ist sein Gleichgewichtssinn wieder hergestellt und er mit einem Satz außer Schussweite.


Und der Cousin ?

Ein Wasserfall behindert unser weiteres Vorankommen. Nun hilft nichts mehr, alle sensiblen Materialien müssen wasserfest gepackt werden und dann sind auch schon beide Stiefel vollgelaufen, der Wasserspiegel schwappt um die Oberschenkel und wir waten wir durch die enge Stromschnelle, bis sich das Flussbett wieder öffnet. Von links ergießt sich bald darauf ein gleichgroßer Fluss, nur wenige Meter zuvor hat er einen prächtigen Wasserfall geschaffen. Nun ist alles egal, nass sind wir eh, die Rucksäcke werden abgestellt und wir genießen eine erfrischend kühle Dusche.
Wenig später ist die Flussbrücke zu unserem Weg erreicht und wir erfreuen uns auf den letzten Metern zum Jeep unserer nassen Kleidung, die nun wie eine wohltemperierte Aircondition arbeitet. Unser Guide Francisco bleibt mit seinem Hündchen zurück, freut sich über das kleine Handgeld und fragt sich vermutlich, was um alles in der Welt wir so besonderes daran fanden uns dreckig und nass zu machen, schwitzend bergauf und -ab zu keuchen, winzige Tiere und große Pflanzen zu bestaunen, die zu seinem alltäglichen Leben gehören und nichts wertvolles sind - denn sie schmecken nicht einmal.

Diesmal gab es keine Brote, da Tom auf der Erstbegehung selber nicht damit gerechnet, dass wir uns so lange aufhalten werden. Uns knurrt der Magen, denn am Morgen hatten wir keine Zeit ein paar Stullen zu schmieren. Aber es war schön, vor allem schön erfrischend nach der gestrigen Sauna-Wanderung - insbesondere für den immer im eigenen Sud schwitzenden Nik.

iguana2.jpg (167567 Byte)Etwa 4 km vor Puerto Viejo beschließt Tom noch einen Abstecher zur Iguana Farm einiger Kekoldi-Indios zu machen. An dem Schild "ARTISANA" geht es rechts etwa 300 m in einen Schotterweg hinein, dann nochmals zu Fuß links knapp 200 Meter leicht hügelan. Um nicht weiter die gefährdeten Tiere, wegen ihres schmackhaften und daher geschätzten Fleisches (etwa wie Hühnchenbrust, wobei nur der Schwanz verwertet wird) im Wald zu jagen, wurde ein Zuchtprojekt initiiert. Hauptsächlich Grüne Leguane 23 werden hier gehalten, die im schlachtreifen Alter exklusive Schwanz bis 55 cm groß werden und ihre Farbe nach grau-braun ändern. Die Männchen verfügen über, bei Gefahr und Revier- / Dominanzgebaren aufstellbare, knorpelige Kopf-, Rücken- und Schwanzkämme, um beeindruckend und gefährlich auszusehen und unterstreichen diese Gebärde noch mit einem ballonartigen Kehlsack.
Ein Eintrag in das Gästebuch und eine kleine Donation wird bei diesen einfachen, freundlichen Menschen gerne gesehen. Mit kleinen kunsthandwerklichen Gegenständen, wie beschnitzten Kalebassenfrüchten, die als Vorratsbehälter für Wasser dienen können, kleinen Bögen und Pfeilen für die Fisch- und Dschungeljagd, versuchen sie sich ein schmales Zubrot zu erwirtschaften.

Die Anfahrt zu den Touren erfolgt mit dem Jeep, pro Person 40 $ (incl. Gummistiefel, wasserfestem Rucksack, selbsterstellter Foto- und Audio-CD, Snacks und Wasser - und jede Menge Schlamm für die kostenlose Fangopackung). Tom: 7500098, montesol@racsa.co.cr, www.montesol.net
Optional zzgl. 25 $ für den Skywalk. Kontakt über Tom oder in Puerto Viejo bei terraventuras, 7500750 + 7500757, bruno@terraventuras.com, www.terraventuras.com

Siehe auch ausführlicher und Allgemeines zum Tropenwald hier.


© "Nik" Klaus Polak
seit 2/2003 als freier Journalist auf Weltreise
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